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 Vortragsskript ©Susanne Schaaf/DGHS vom 20.09.2024   
„Vor- und Nachsorge für den Todesfall“


In den heutigen Vorträgen geht es um Vor- und Nachsorge für den Todesfall.
Zunächst ein kurzer Überblick:
• Nach einer Einleitung von mir, wird uns Frau Frankenheim über Bestattungsvorsorge informieren.
• Was darüber hinaus zur Vorsorge gehören kann, hören Sie anschließend anhand eines Beispiels aus meiner Beratungspraxis.
• Anhand eines weiteren Beispiels schauen wir auf Aspekte der Vorsorge im Fall von Freitodbegleitung.
• Anschließend wird uns Frau Frankenheim über Trauerbegleitung informieren und die Angebote ihres Bestattungshauses vorstellen.
• Ergänzend werde ich auf die besondere Situation von Hinterbliebenen nach einem Freitod eingehen.
• Zum Schluss folgt ein Ausblick auf die nächste Veranstaltung.
Und ich habe hier vorne auch wieder einen Infotisch vorbereitet. Dort können Sie Broschüren mitnehmen und haben Gelegenheit zum Austausch untereinander und mit mir.
Übrigens verzichte ich in meinen Vortrag auf das heute übliche Gendern, denn es hemmt meine natürliche Art zu sprechen. Selbstverständlich gilt jede Personenbezeichnung gleichermaßen für alle Geschlechter.

Das heutige Vortragsthema liegt mir auch aus eigener Erfahrung am Herzen.
In meiner Familie habe ich erlebt, dass die Organisation von Beerdigungen besonders schwierig war, wenn Verstorbene zu Lebzeiten nicht oder zu ungenau über ihre Vorstellungen und Wünsche gesprochen hatten. Aus Unsicherheit hat sich meine Familie dann für möglichst traditionelle Trauerfeiern und Erdbestattungen entschieden sowie für eine hochwertige Ausstattung, um bloß nichts falsch zu machen. Aber diese Trauerfeiern und Bestattungen waren nicht gerade individuell und wirkten unpersönlich.
Mein Vater sagte später, dass er diese Gräber auch nicht gern pflegen würde, weil ihm der Gang zum Friedhof kein Bedürfnis war und er auch nicht wusste, ob alles überhaupt im Sinne der Verstorbenen war. „Für wen tue ich das hier eigentlich?“, hat er sich gefragt.
Wie gut wäre es dagegen gewesen, wenn die Familienmitglieder rechtzeitig miteinander gesprochen hätten. Vieles hätte im Vorfeld geklärt werden können:
Wie soll die Trauerfeier gestaltet sein? Alles eher im kleinen Kreis? Oder wird es eine ganz große Beerdigung, weil man z.B. Mitglied in verschiedenen Vereinen ist?
Welche Bestattungsart wünscht man sich? Ist einem z.B. ein schön dekoriertes und gepflegtes Grab wichtig?
Oder möchte man lieber anonym bestattet werden? Wer in der Familie kann und möchte das Grab überhaupt pflegen?
Auch meine Eltern haben mir zunächst nur mitgeteilt, dass sie schon eine Grabstätte für sich reserviert hatten. Diese recht sachliche Mitteilung habe ich zum Anlass genommen, meinen Eltern Fragen zu stellen und so sind wir nach und nach ins Gespräch gekommen. Und als uns klar wurde, wie groß heutzutage die Auswahlmöglichkeiten sind, und weil die Eltern nicht mehr mobil waren, habe ich vorgeschlagen, mich von einem Bestatter beraten zu lassen. Was ich dort erfuhr, habe ich den Eltern zurückgemeldet und nach einigem Hin und Her waren wir irgendwann so weit, dass ich dem Bestattungshaus unsere genauen Wünsche mitteilen und Vorsorgeverträge abschließen konnte. Übrigens nicht nur für meine Eltern, sondern bei der Gelegenheit auch gleich für mich selbst, denn inzwischen hatte sich auch meine Tochter an den Gesprächen beteiligt.
Dabei haben wir dann auch ganz nebenbei unsere Scheu verloren, überhaupt über Sterben und Tod zu sprechen. Im Laufe eines Winters haben wir uns immer mal wieder damit befasst und wer hätte es gedacht - im Frühjahr hatte sogar jeder von uns eine Patientenverfügung verfasst.
Meine Eltern hatten mir schon in ihren Siebzigern Generalvollmachten erteilt. Am Ende des Winters war dann nicht nur die gegenseitige Bevollmächtigung von meiner Tochter und mir hinzugekommen, sondern drei Generationen hatten einige gute Gespräche geführt.
Als meine Eltern einige Jahre später starben, war es für mich eine große Erleichterung, in diesen emotionalen Situationen möglichst wenig Entscheidungen treffen zu müssen. Ich konnte einfach nur beim Bestattungshaus anrufen und dort lag alles schon fix und fertig in der Schublade. Aus eigener Erfahrung kann ich also empfehlen, noch bevor man krank oder betagt ist, für eine selbstbestimmte Bestattung vorzusorgen.
Mehr zum Thema hören und sehen wir nun von Frau Juliane Frankenheim.

(Siehe Infos auf der Webseite des Bestattungshauses:
https://bestattungshaus-frankenheim.de/bestattungsvorsorge/
• Video über Bestattungsvorsorge: https://www.youtube.com/watch?v=aGyH0JmMZKQ&t=2s  )

Mit „Vorsorge für den Todesfall“ kann je nach Lebenssituation viel mehr als nur Bestattungsvorsorge gemeint sein.
Zwar wissen wir alle, dass wir irgendwann sterben werden, leider denken aber die meisten von uns erst konkret über Vorsorge nach, wenn wir oder Nahestehende schwer erkrankt oder betagt sind.
Viele Menschen gehen auch einfach davon aus, dass sie sich im engsten Familienkreis selbstverständlich gegenseitig im Krankheitsfall z.B. gegenüber Ärzten oder Ämtern vertreten können.
Tatsächlich muss aber jeder über 18J. andere Personen schriftlich bevollmächtigen, um im Notfall von ihnen vertreten werden zu können, also auch volljährige Kinder z.B. ihre Eltern.
Auch Ehepaare haben erst seit 2023 ein nur 6monatiges Notvertretungsrecht und benötigen darüber hinaus wechselseitige Vollmachten.
Wir schieben Vorsorge gern lange vor uns her, weil sie mühsam ist und bedrückende Gefühle auslöst. Je nach Lebenssituation ist es tatsächlich einiges, was man zu überlegen und organisieren hat. Wie immer im Leben ist es dann gut, irgendwann den ersten Schritt zu machen. Dieser erste Schritt kann, wie ich anfangs erzählt habe, ein Gespräch mit Nahestehenden sein oder mit professionellen Unterstützern.
Hierzu ein komplexes Beispiel aus meiner Beratungspraxis:
Herr und Frau Schmitz, so nenne ich sie heute, sind Mitte 70.
Er ist an Krebs erkrankt und betreut seine an Demenz erkrankte Frau. Sie haben keine Kinder, aber ein gutes Verhältnis zu einem Neffen.
Herr und Frau Schmitz haben schon vor Jahren Patientenverfügungen verfasst. Außerdem hatten sie sich gegenseitig Generalvollmachten erteilt. Die Vollmacht, die Herr Schmitz seiner Frau erteilt hatte, musste er jedoch wegen ihrer Demenz widerrufen.
Seine Krebserkrankung schreitet fort und er fragt sich, wer für die Organisation seiner Pflege und die Durchsetzung seiner Patientenverfügung sorgen kann, wenn dies nötig wird?
Und er möchte seine Frau absichern, die ohne ihn vollkommen hilflos ist. Wie lange wird er noch in der Lage sein, seine Frau zu betreuen?
Wahrscheinlich wird seine Frau ihn überleben. Wer organisiert seine Beerdigung, wer den Umzug seiner Frau ins Heim und die Auflösung der bisherigen gemeinsamen Wohnung? Wen wird das Gericht nach seinem Tod als Betreuer seiner Frau einsetzen?
Mit dem 38 jährigen Neffen, der auch ihr Erbe ist, hat Herr Schmitz darüber noch nicht gesprochen. Er sagt mir: „Wir telefonieren zwar regelmäßig, aber ich hab ihm nicht so genau gesagt, was bei uns los ist und wobei wir alles Unterstützung brauchen. Wenn der das mitkriegt, fühlt er sich bestimmt total überfordert. Er steht ja mitten im Leben und hat selbst mit Beruf und Familie viel um die Ohren.“
Herr Schmitz macht sich große Sorgen. Er weiß, dass ihm die Zeit wegläuft und fühlt sich wie gelähmt, weil er nicht weiß, wo er anfangen soll.
Herr Schmitz und ich führen zwei ausführliche Gespräche. Im Esten erklärt er mir sehr genau die Situation, im Zweiten besprechen wir, in welcher Reihenfolge die Themen bearbeitet werden sollten. Und dann wird Herr Schmitz aktiv.
Zunächst legt er eine Liste an mit allen Verträgen, die im Fall ihres Todes aufgelöst oder geändert werden müssen. Und er sucht die Originale ihrer beiden Geburtsurkunden und der Heiratsurkunde heraus.
Mit allen Unterlagen incl. der Generalvollmacht für seine Frau geht er zu einem Bestattungshaus. Er lässt sich bezüglich Art und Ausstattung der Bestattungen beraten und schließt dazu Bestattungsvorsorgeverträge für sich und seine Frau ab. Darin wird das Bestattungshaus beauftragt die notwendigen Meldungen bei Ämtern zu erledigen und Verträge zu kündigen sowie die Bestattungen wie gewünscht durchzuführen.
Die Gesamtkosten für diese Leistungen werden ermittelt und die Beträge auf einem Treuhandkonto des Bestattungshauses hinterlegt. Auch falls zukünftig alle Rücklagen verbraucht sein sollten und das Sozialamt für die Heimunterbringung von Frau Schmitz aufkommen müsste, sind diese Beträge nun gesichert.
In einem Gespräch mit dem behandelnden Arzt seiner Frau erfragt Herr Schmitz, welche Bedingungen in einem Pflegeheim für seine Frau gegeben sein sollten. Er besichtigt daraufhin drei Heime und meldet seine Frau in einem davon an.
Da der Einzug schon bald möglich ist, kann Herr Schmitz noch selbst ihr Zimmer mit liebgewonnen Gegenständen dekorieren und ihr bei der Eingewöhnung helfen.
Herr Schmitz nimmt Kontakt zu einem ihm bekannten Rechtsanwalt auf, von dem er weiß, dass er auch als so genannter Vorsorgeanwalt tätig ist. Von ihm erfährt er, dass es möglich ist, sowohl dem Neffen als auch dem RA Vorsorgevollmachten für Frau Schmitz zu erteilen. So könnte sich der Neffe auf Besuche im Heim, alltägliche Handreichungen und Spaziergänge mit Frau Schmitz konzentrieren. Der RA wird nur bei Bedarf und in Absprache mit dem Neffen aktiv, wenn wichtige medizinische oder finanzielle Entscheidungen zu treffen sind. Die Vorsorgevollmachten verhindern auch, dass nach dem Tod von Herrn Schmitz das Gericht einen fremden Betreuer für Frau Schmitz bestimmt.
Die Lebenserwartung von Herrn Schmitz ist relativ kurz und Unterstützung bei medizinischen und finanziellen Entscheidungen wird bald notwendig. Mit alldem möchte Herr Schmitz den Neffen nicht auch noch belasten, sondern bevollmächtigt für seine eigenen Angelegenheiten nur den RA, der später auch die Kündigung der Mietwohnung und die Haushaltsauflösung veranlassen wird.
Herr Schmitz bittet den Neffen um einen Besuch. Er erklärt ihm die schwierige Situation. Und er berichtet, was schon erledigt ist und was er beim RA erfahren hat. Der Neffe ist erleichtert, dass er sich nicht alleine um alles kümmern muss und ist bereit, gemeinsam mit dem RA die Vorsorgevollmacht für Frau Schmitz zu übernehmen. Bei einem Termin mit dem RA werden restliche Fragen geklärt und die Details der Vollmachten festgelegt.
Sechs Monate nach unserem letzten Telefonat treffe ich Herrn Schmitz anlässlich eines Gesprächskreises. Frau Schmitz wohnt seit kurzem im Heim. Herr Schmitz sagt, dass diese ganzen Regelungen zwar viel Arbeit waren, aber er fühle sich jetzt sehr erleichtert und beruhigt.
Übrigens muss natürlich in einem solchen Fall kein Rechtsanwalt beauftragt werden, wenn es mehrere Nahestende gibt, auf die man die Vorsorgevollmachten verteilen kann.
Wie wichtig Vorsorge-Gespräche sind, haben meine bisherigen Beispiele gezeigt. Dies gilt auch, wenn man eine Freitodbegleitung für sich in Betracht zieht.
Menschen, die über FTB nachdenken, nähern sich diesem Thema oft über viele Jahre. Sie informieren sich z.B. in den Medien und bei Veranstaltungen.
Die Kommunikation mit Nahestehenden bleibt aber manchmal auf der Strecke, vielleicht aus guter Absicht, um niemanden zu belasten.
Gerade hochaltrigen Menschen ist oft nicht bewusst, dass Ihre Kinder und Enkel wenig oder keine Erfahrung mit Sterben und Tod haben und auch nicht vom Recht auf Freitodbegleitung wissen. In deren jungem Leben geht es ja gerade um ganz andere Themen. Und selbst wenn in den Medien inzwischen ziemlich häufig über die Möglichkeit der Freitodbegleitung berichtet wird, werden solche Informationen eher von Menschen wahrgenommen, die sich ohnehin schon dafür interessieren.
Deshalb ist es wichtig, dass z.B. Eltern mit ihren Kindern oder Enkeln über eine beabsichtigte Freitodbegleitung sprechen.  Und zwar nicht erst, wenn sie bereits einen Antrag dazu gestellt haben, sondern möglichst frühzeitig und am besten schrittweise, vor allem, wenn man gewisse Widerstände spürt.
Sehr vereinfacht dargestellt könnte z.B. ein Vater mit seinem Sohn so sprechen:
Jahre vorher könnte man ganz allgemein informieren, indem man sagt:
„Sollte ich krank oder hilflos werden, möchte ich das nicht ertragen. Ich möchte über mein Lebensende selbst bestimmen. Deshalb finde ich es sehr beruhigend, dass in Deutschland seit 2020 Freitodbegleitungen per Gesetz erlaubt sind. Vorsorglich bin ich schon Mitglied der DGHS geworden, die solche Freitodbegleitungen vermittelt. Wenn dich das auch interessiert, findest du auf der Webseite der DGHS genaue Infos.“
Wenn die Pläne konkreter werden, könnte man sagen:
„Mein Leben war schön, aber seit einiger Zeit wird es mehr und mehr beschwerlich. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch lebenswert finde. Du weißt, dass ich Mitglied der DGHS bin. Ich habe mir jetzt genaue Informationen geben lassen über Freitodbegleitungen. Die würde ich gern mit dir zusammen durchsehen. Ich wüsste auch gern, wie du dazu stehst, dass ich diesen Weg gehen möchte. Ich hoffe, dass du meinen Entschluss respektierst.“
Vor der Antragstellung:
„Jetzt ist für mich der Zeitpunkt gekommen, dass ich den Antrag stellen möchte. Würdest du ihn gegenzulesen, damit ich nichts Wichtiges vergesse? Und wärst du bereit beim Hausbesuch der Freitodbegleiter dabei zu sein? Ich würde mich auch sehr freuen, wenn du am Todestag bei mir wärst. Bitte überlege schon mal in Ruhe, ob du dir das vorstellen kannst.“
Nach der Antragstellung:
„Ich möchte gern im November sterben, frage mich aber, ob das so relativ kurz vor Weihnachten für dich und deine Familie zumutbar wäre. Bitte tausche dich dazu mit deiner Frau aus.
Möchten du und deine Frau meinen Enkeln erklären, was ich vorhabe und warum? Oder ist es in Ordnung, wenn ich selbst mit ihnen darüber spreche?“
Vor dem Freitodtermin:
„Ich möchte einigen mir nahestehenden Menschen Briefe und Erinnerungsgegenstände hinterlassen. Aber erst möchte ich, dass du selbst schaust, welche Gegenstände dir am Herzen liegen.
Der Termin ist für den 10.November vereinbart. Ich möchte mich ein paar Tage vorher von deiner Familie verabschieden. Bitte überlegt, wann und wo das für euch gut wäre.“
Als Nahestehende auf solche oder ähnliche Weise in die Freitodbegleitung einbezogen zu werden, ist sicher nicht leicht, kann aber auch als Vertrauensbeweis und Wertschätzung, ja sogar als Bereicherung empfunden werden.
Eventuelle Versäumnisse und Missverständnisse können dagegen später nicht mehr geklärt werden und für Hinterbliebene belastend sein.
Damit kommen wir zum Themenbereich der Nachsorge.
Trauer ist immer sehr individuell.
Verallgemeinernd kann man jedoch sagen, dass die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen eher still trauern. Vor allem die Kriegsgeneration hat gelernt, Schicksalsschläge klaglos zu ertragen. Viele sprechen nur im engsten Kreis über persönliche Schwierigkeiten und es kommt für sie nicht infrage sich bei seelischen Belastungen Unterstützung zu suchen.
Wir Kriegsenkel sind dazu eher bereit. Wird wurden anders erzogen, sind offener und eher in der Lage, uns mit anderen auszutauschen.
Von Frau Frankenheim werden wir nun etwas über die Situation von Hinterbliebenen hören und der Möglichkeit von Trauerbegleitung.

(Siehe Infos auf der Webseite des Bestattungshauses
• Infos über Trauerbgeleitung:
https://bestattungshaus-frankenheim.de/trauerbegleitung/
• Video 7min. über Trauergruppen https://www.youtube.com/watch?v=0dOzS6ynwd0 )

Auch hierzu möchte ich etwas ergänzen.
Nach einem Freitod, auch dem begleiteten, befinden sich Hinterbliebene in einer besonderen Trauersituation.
Haben Sie schon mal eine Todesanzeige gesehen, in der stand, dass der Verstorbene einen Freitod begangen hat?
Haben Ihnen Hinterbliebene selbst davon erzählt?
Oder haben Sie Hinterbliebene offen darauf angesprochen, nachdem Sie die Todesursache von irgendwem erfahren haben? Eher nicht.
In meinem Umfeld habe ich die Situation zweimal erlebt und ich nenne sie „das große Schweigen“.
Wie kann es sein, dass es in Deutschland ca. 10.000 Todesfälle im Jahr durch Suizide gibt, also mehr als Verkehrstote und Mordopfer zusammen, über sie in unserem eigenen Umfeld aber oft nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird?
Schuldgefühle der Angehörigen sowie allgemeine Unsicherheit in deren Umfeld sind wohl die Hauptgründe für dieses „große Schweigen“.
Schon in Beratungsgesprächen sagt man mir häufig, dass es niemanden gibt, mit dem man über das Thema FTB sprechen kann. Oder man fragt mich, ob sich denn die Freitodbegleiter und die Polizei im Haus diskret verhalten werden, damit Nachbarn nichts vom Freitod erfahren.
Und wenn über Freitodabsicht und Beweggründe mit Nahestehenden nicht gesprochen wurde, müssen diese Hinterbliebenen nicht nur den Verlust verkraften, sondern auch Verunsicherung oder gar Schuldgefühle bewältigen.
„Habe ich Opa zu selten besucht? Bin ich mit schuld daran, dass er nicht mehr leben wollte?“
„Mutter sagte immer, es ginge ihr gut - warum hat sie mir nicht gesagt, dass sie in Wirklichkeit lebenssatt war?“
„Ich dachte, mein Bruder und ich hätten ein gutes Verhältnis, aber scheinbar hatte er gar kein Vertrauen zu mir!?“
„Wenn die Leute vom Freitod meiner krebskranken Frau erfahren, denken sie bestimmt, dass ich mich nicht gut um sie gekümmert habe.“
Wenn Hinterbliebene solche Gedanken haben und sie im nahen Umfeld nicht darüber sprechen können, suchen sie sich hoffentlich professionelle Unterstützung. Aber auch dabei stehen Angehörige nach einem Suizid vor Hürden.
Bei ihrer Suche nach einer Gesprächsmöglichkeit stellen sie fest, dass sie nicht in jeder Trauergruppe aufgenommen werden, z.B. wenn der Anbieter sich den Umgang mit dem speziellem Thema Suizid nicht zutraut oder Freitodbegleitung ablehnt.
Und hat man doch eine Trauergruppe gefunden, ist man dort wahrscheinlich der einzige Hinterbliebene nach Freitodbegleitung und trifft auf niemanden, der Ähnliches erlebt hat.
Vielleicht merkt man auch, dass eine Trauergruppe nicht den passenden Rahmen bietet, um Schuldgefühle und Selbstzweifel aufzuarbeiten. Dann wendet man sich evtl. an Anbieter von Trauergruppen für Hinterbliebene nach Suizid. Aus gutem Grund nehmen aber auch Sie keine Hinterbliebenen nach Freitodbegleitung auf. Denn dort würden sie auf traumatisierte Hinterbliebene nach gewaltvollen Suiziden treffen, was eine zusätzliche Belastung anstatt Entlastung wäre.
Wer sich als Trauernder nach einem Freitod professionelle Unterstützung wünscht, wird sich also in der Regel eine Einzelbegleitung suchen müssen, z.B. im Bestattungshaus, bei freiberuflichen Trauerbegleitern oder Therapeuten.
Und Mitglieder der DGHS haben zumindest in einigen Städten, wie z.B. in Düsseldorf, die Möglichkeit sich im Rahmen eines Mitgliederstammtischs untereinander auszutauschen.
Mir war es wichtig, Ihnen auch diese Informationen mit auf den Weg zu geben. Denn sie verdeutlichen, dass es an Nachsorge-Angeboten für Angehörige nach einem begleiteten Freitod noch mangelt, und dass Vorsorge in Form von vertrauensvollen Gesprächen von Freitodwilligen und ihren Nahestehenden deshalb umso wichtiger ist.
Schließen möchte ich den heutigen Abend mit einem Appell:
• Sorgen Sie bitte frühzeitig für sich und andere vor!
• Weisen Sie junge Leute darauf hin, dass auch sie Patientenverfügungen und Vollmachten benötigen.
• Weisen Sie Interessierte darauf hin, dass auch Nichtmitglieder auf der Webseite der DGHS alle Infos und Vordrucke z.B. zu Patientenverfügung, Vollmachten und Freitodbegleitung finden.
• Denken Sie bitte daran, dass nicht nur schriftliche Verfügungen, sondern auch Gespräche zur Vorsorge gehören.
• Wenn Sie in ihrem Umfeld von einem Freitod erfahren, trauen Sie sich, Hinterbliebene darauf anzusprechen.
• Und wenn Sie Freitodbegleitung für sich selbst in Betracht ziehen, sprechen Sie bitte frühzeitig mit Ihren Nächsten darüber.
Geben sie ihnen bei Bedarf die Telefonnummer der DGHS-Ansprechpartner, denn wir beraten ja nicht nur Sie, sondern auch Ihre Angehörigen.